„Die muslimische Bevölkerung in Deutschland fühlt sich von der Politik nicht vertreten. Das ist die Hauptursache für ihre geringe Wahlbeteiligung. Die Politik ist in der Pflicht“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). Anlass sind die Ergebnisse einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Danach bewerten deutsche Staatsbürger muslimischen Glaubens die Demokratie und das politische System in Deutschland positiver als der Durchschnitt der Bürger. Dennoch beteiligen sie sich seltener an Wahlen. Bekir Altaş weiter:
„Die Ergebnisse der Allensbach-Umfrage decken sich mit unseren Beobachtungen. Musliminnen und Muslime in Deutschland schätzen sowohl die freiheitlich demokratische Grundordnung als auch das parlamentarische System sehr. Dennoch ist ihre Wahlbeteiligung vergleichsweise gering.
Ursächlich dafür ist hauptsächlich die Politik. Musliminnen und Muslime fühlen sich von den Parteien und ihrer Politik kaum oder gar nicht vertreten. Im Gegenteil, sie haben oft das Gefühl, dass Politik auf ihrem Rücken gemacht wird. Es werden antimuslimische Ressentiments bedient, pauschale Vorwürfe formuliert oder ihre Interessen werden nicht berücksichtigt. So müssen Musliminnen nach wie vor sich durch alle Instanzen gegen politisch motivierte Kopftuchverbote wehren oder sie müssen aufgrund des mangelhaften Diskriminierungsschutzes Benachteiligungen bei der Arbeit- oder Wohnungssuche hinnehmen.
Ein weiterer Grund ist die mangelnde Repräsentanz der muslimischen Bevölkerung in der Politik. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung, die knapp sieben Prozent beträgt, spiegelt sich weder im Bundestag noch in den Landesparlamenten oder in den Ratshäusern wider. In kaum einem Land klafft zwischen der Bevölkerungs- und Parlamentszusammensetzung eine so große Lücke. Im Ergebnis stehen viele Musliminnen und Muslime vor denselben Fragen und finden keine Antwort darauf: Wer vertritt meine Interessen? Wen kann ich wählen?
Aufgabe der Politik ist es, das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der Mitgestaltung des Landes zu steigern. Gelingen kann das durch Mitwirkung oder Interessenvertretung. Nur wenige Wochen vor den Bundestagswahlen spielen die Interessen und Belange der muslimischen Bevölkerung wieder einmal keine Rolle. Ein Blick in die Wahlprogramme offenbart auch nur ein großes Desinteresse.
Allen diesen Widrigkeiten zum Trotz appellieren wir an alle wahlberechtigten Musliminnen und Muslimen, sich an den Wahlen zu beteiligen. Denn es geht bei Wahlen nicht nur darum mitzubestimmen, wer im Parlament sitzen soll, sondern auch darum, dass Rassisten draußen bleiben. Hier zählt jede einzelne Stimme, die auf das Konto demokratischer Parteien geht.
Ebenso appellieren wir an alle Musliminnen und Muslime, sich politisch und zivilgesellschaftlich zu engagieren. Denn: Mitwirkung und Rechte werden nicht serviert, sondern müssen eingefordert werden. Auch das ist Teil unseres politischen Systems und unserer Realität.“
FAZ-Bericht „Die Aufsteiger“ unter: https://zeitung.faz.net/faz/politik/2021-08-25/091f83c64258d9f881e88914f0d1cb36/?GEPC=s1
Der Beitrag Politik verantwortlich für geringe Wahlbeteiligung von Musliminnen und Muslimen erschien zuerst auf Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG).